Lebenslauf von Ulrich Hanke
- Ich wurde am 5. November 1951 in Rheinbach bei Bonn als erster Sohn eines Regierungsangestellten und einer Hauswirtschafterin geboren. Meine Mutter gab ihren Arbeitsplatz nach meiner Geburt auf und war fortan Hausfrau, wie es damals üblich war.
- Ich habe noch sieben jüngere Geschwister, sechs Brüder und eine Schwester.
- Als ich zwei Jahre alt war, sind wir nach Bonn umgezogen. Dort habe ich
über 40 Jahre lang gewohnt. - Ich bin dort in die Grundschule und anschließend ins Helmholtz-Gymnasium gegangen, wo ich im Juni 1970 mein Abitur gemacht habe.
- Ab Oktober 1970 habe ich an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Ein Studium für das Lehramt an Gymnasien mit den Fächern Philosophie und Französisch begonnen.
- Dieses Studium musste ich dann aber abbrechen,
weil sich meine Sehbehinderung rapide verschlechterte. Meine Sehkraft ging
innerhalb von zwei Jahren von 90 auf 10 Prozent herunter. Eine Anstellung
als Lehrer an einer Realschule oder einem Gymnasium war damals nicht zu
erwarten, und ich wollte nicht ein komplett neues Studium für
Sonderpädagogik beginnen. - Ich habe mich dann wohl oder übel zum einen in die Obhut der
Arbeitsverwaltung begeben und mich zum anderen auf eigene Faust parallel
dazu bei etwa 40 Verwaltungen für eine Einstellung in den gehobenen Dienst
beworben. - Im Arbeitsamt Bonn habe ich ausgiebige Tests absolviert und anschließend eine zweiwöchige Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung bei der Stiftung Rehabilitation Heidelberg (SRH) durchlaufen. Dort kam heraus, dass ich mich für ein Studium als Informatiker eigne, was damals an der SRH-Fachhochschule angeboten wurde.
- Die Ironie des Schicksals wollte es, dass ich nach mehr als zwei Jahren
untätigen und zermürbenden Wartens am gleichen Tage (!) für beide
Ausbildungsplätze eine Zusage erhielt. - Ich entschied mich dann für die Beamtenlaufbahn. Beide Ausbildungen
dauerten drei Jahre und endeten mit einem Fachhochschulabschluss, aber als
Diplom-Informatiker hätte ich mir nach dem Studium noch einen Arbeitsplatz
suchen und vielleicht später auch um diesen Arbeitsplatz bangen müssen. Als
Diplom-Verwaltungswirt hatte ich dagegen als für mich entscheidenden Vorteil
nach dem Bestehen der Laufbahnprüfung eine Übernahmegarantie ins
Beamtenverhältnis mit der damit verbundenen Arbeitsplatzsicherheit, was es
heute allerdings auch nicht mehr gibt. - Ich habe meine Laufbahnausbildung in Köln, Siegen, Düsseldorf, Bonn und
Mölln absolviert und dann im September 1981 mein Diplom mit einem
überdurchschnittlichen Ergebnis erworben, was ich nicht zuletzt meinem
äußerst cleveren Mitstreiter Werner verdanke. Werner war meine vom
Dienstherrn bezahlte Vorlesekraft. - Anfang 1985 war dann mein Sehrest so schlecht geworden, dass ich sozusagen
doppelter Analphabet war: ich konnte weder Schwarzschrift noch Punktschrift
lesen und schreiben. Also musste ich unbedingt eine blindentechnische
Grundrehabilitation durchführen. Mein Problem war allerdings, dass ich als
Beamter keinen Rentenversicherungsträger habe, der normalerweise als
Kostenträger für so etwas in Frage kommt. Aber ich konnte das Sozialreferat
des Verteidigungsministeriums davon überzeugen, dass mein Dienstherr die
Kosten tragen musste. - So wurden mir zum Erlernen der Punktschrift, des 10-Finger-Schreibens und
der Benutzung eines sprechenden Computers 18 Monate Aufenthalt im
Berufsförderungswerk Düren genehmigt. Ich bin bereits nach 15 Monaten mit
all dem fertig gewesen und wieder in meine Dienststelle, das Bundesamt für
Wehrverwaltung in Bonn, zurückgekehrt. - Dort gab es aber an den entscheidenden Stellen nur Herren, die sich nicht
vorstellen konnten, dass ein Blinder mit einem Computer arbeiten kann. Also
wurden alle meine Bewerbungen auf interessante Jobs mit dem Argument
abgelehnt, dass ich das wohl nicht könne. Daraufhin habe ich mich darum
bemüht, in eine andere Behörde der Bundeswehrverwaltung zu wechseln. - Schließlich bin ich im Kreiswehrersatzamt Bonn auf einem Dienstposten
gelandet, den vor mir auch schon ein Blinder besetzt hatte. Also musste mich
der Dienststellenleiter akzeptieren, obwohl er mich nicht haben wollte,
denn: "einen Behinderten kann man leider nicht wie eine Schachfigur einfach hin und her schieben!" (original-Zitat). - Da mich die vorherige Dienststelle -
eine vorgesetzte Behörde - aber unbedingt loswerden wollte, wurde ich dem
neuen Chef trotz seiner Widerstände aufs Auge gedrückt. - Meine späteren Chefs waren aber im Gegensatz zu diesem Ekelpaket von
meiner Arbeit angetan und haben mich auch im beruflichen Fortkommen
unterstützt. Und auch meine spätere Versetzung nach Lüneburg aus privaten
Gründen ging für Bundeswehrverhältnisse schnell. - Seit dem 1. Dezember 2011 befinde ich mich nun in der Freistellungsphase
meiner Altersteilzeit. Ich brauche nie mehr im Leben ins Büro zu gehen! Ich
habe die Arbeit nicht eine Sekunde lang vermisst und frage mich heute, wie
ich es früher geschafft habe, nebenbei noch täglich 8 Stunden arbeiten zu
gehen!
Lüneburg, den 26.11.2012
Ulrich Hanke verstarb am 6. Februar 2016 im Alter von 64 Jahren plötzlich und unerwartet.